Start des Verbundprojekts »GrodiaQ« unter Koordination des Fraunhofer IAF

Grundstein einer europäischen Lieferkette für diamantbasierte Quantentechnologien

Pressemitteilung /

NV-dotierter Diamant gehört zu den aussichtsreichsten Materialien für die Realisierung von Quantentechnologien. Bislang ist die Verfügbarkeit in industriegeeigneter Qualität und Quantität jedoch stark eingeschränkt. Im BMBF-geförderten Projekt »GrodiaQ« entwickelt das Fraunhofer IAF daher in Kooperation mit fünf deutschen Industrieunternehmen innovative Prozesse und Anlagen, um die industrielle Nutzung von (111)-orientierten Diamant-Substraten und eine europäische Lieferkette für Quantenbauelemente zu ermöglichen.

Elektronenmikroskopische Aufnahme einer frühen Wachstumsphase von Diamant auf einem Wafer
© Fraunhofer IAF
Elektronenmikroskopische Aufnahme einer frühen Wachstumsphase von Diamant auf einem Wafer

Um die Verfügbarkeit hochreiner wie großflächiger Diamant-Wafer für quantentechnologische Anwendungen zu sichern, hat das Projektkonsortium »Großflächige Diamantsubstrate für die Quantentechnologie« (»GrodiaQ«) seine Arbeit aufgenommen. Der Verbund wird vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF koordiniert und besteht außerdem aus fünf Industrie-Unternehmen mit eigener Expertise im Bereich der Herstellung, Verarbeitung und Verwertung von Diamant und diamantbasierten Quantentechnologien. Gemeinsam bilden die Projektpartner somit die gesamte Wertschöpfungskette ab. Ziel ist es, Anlagentechnik und Basismaterial für Quantenbauelemente zu entwickeln, die nach Projektende von den Industriepartnern in die wirtschaftliche Verwertung überführt werden können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben über drei Jahre.

»Großflächige hochwertige Diamant-Wafer sind eine unersetzliche Grundkomponente bei der Herstellung von Bauelementen für diamantbasierte Quantentechnologien, die voraussichtlich in den nächsten drei bis zehn Jahren Marktreife erreichen«, erläutert der verantwortliche Projektkoordinator vom Fraunhofer IAF, Dr. Peter Knittel. »Die Materialkosten lassen sich durch die Verwendung von Diamant-Wafern mit größeren Durchmessern im Vergleich zum heutigen Stand der Technik signifikant senken, wodurch die Entwicklung und Herstellung von Quantenbauelementen wirtschaftlich wird. Vor diesem Hintergrund ist ›GrodiaQ‹ eine große Chance, Deutschland als führenden Standort in der Erforschung, Entwicklung und Fertigung hochentwickelter Quantentechnologien auf Diamant-Basis zu etablieren.«

Überwachsener Diamant-Wafer mit Durchmesser von 2 Zoll
© Fraunhofer IAF
Überwachsener Diamant-Wafer mit Durchmesser von 2 Zoll

(111)-orientierte Diamant-Substrate in industrietauglichen Größen

Spezifische Materialeigenschaften ermöglichen es Stickstoff-Vakanz-Zentren (»nitrogen-vacancy centers«, NV-Zentren) in Diamant, schon bei Raumtemperatur stabile Quantenzustände zu bilden. Aus diesem Grund zählt die Nutzung von NV-Zentren in Diamant-Substraten zu den chancenreichsten Ansätzen auf dem Weg in die Anwendung und wirtschaftliche Verwertung der Quantentechnologien, beispielsweise in Bereichen wie Medizintechnik (Quantensensorik) oder Informatik (Quantencomputing). Besonders in Kristallrichtung (111)-orientiert gewachsener Diamant ist ein wichtiges Material für die Herstellung von Quantenbauelementen, da dieses Wachstum sowohl die Erzeugung der NV-Zentren durch erleichterten Stickstoffeinbau begünstigt als auch deren Kontrollierbarkeit als Qubits deutlich verbessert.

Problematisch ist bis heute allerdings die Versorgung mit Diamant-Substrat, das die genannten Bedingungen erfüllt. Nur wenige Hersteller – davon keiner aus der Europäischen Union (EU) – können überhaupt Material liefern, das den geschilderten Anforderungen an Kristallreinheit und (111)-Orientierung entspricht. Die Verfügbarkeit ist zudem auf nicht-industrietaugliche kleine Stückzahlen und Abmaße von typischerweise 3x3 mm begrenzt. Auch die Fragilität der erhältlichen Substrate stellt eine Hürde dar, weil sie für Anwendungen im Bereich der Quantentechnologien auf eine Oberflächenrauheit von unter 2 nm poliert werden müssen. Die in »GrodiaQ« geplanten Diamant-Wafer zeichnen sich demgegenüber durch eine industrietaugliche Größe aus; gleichzeitig werden infolge optimierter Verarbeitungsprozesse auch ideale Substrate für die weitere Aufbereitung und Prozessierung bereitgestellt.

Europäische Lieferkette für souveräne Materialversorgung

In drei Schritten wollen die »GrodiaQ«-Projektpartner industriell nutzbare Diamant-Substrate ermöglichen und so den Grundstein einer europäischen Lieferkette für Quantenbauelemente legen. Das Fraunhofer IAF stellt neben seiner Koordinationsfunktion einerseits über die gesamte Projektlaufzeit Material, Know-how und Infrastruktur zur Verfügung. Andererseits optimiert es schwerpunktmäßig das heteroepitaktische Wachstum von (111)-orientiertem Diamant, um funktionale Schichten für quantentechnologische Anwendungen herstellen zu können. In enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IAF verantwortet Diamond Materials die Schleif- und Polierarbeiten bis Rauheiten von unter 2 nm sowie Wachstum und Prozessierung größerer Substratflächen und -mengen.

Mikrowellenplasma in Diamantreaktor für Diamantwachstum auf Wafer-Level
© Fraunhofer IAF
Mikrowellenplasma in Diamantreaktor für Diamantwachstum auf Wafer-Level

Evatec Europe entwirft und konstruiert nach dem Ansatz der spannungsgestützten Diamantnukleation (»bias-enhanced nucleation«, BEN) einen energieeffizienten Reaktor für die chemische Gasphasenabscheidung (»Chemical Vapor Deposition«, CVD), der in Kombination mit neuen Halbleiter-Mikrowellengeneratoren von TRUMPF Hüttinger industrielle Standards für die Wafer-Beschichtung ab Größen von 4 Zoll erreichen soll. Von der Kammergeometrie und Spannungsverteilung des BEN-Reaktors hängt maßgeblich die Qualität der Diamantschichten ab, von den Generatoren die Homogenität des Mikrowellenplasmas auf größerer Fläche. Die assoziierten Partner Q.ANT und Quantum Brilliance evaluieren schließlich die am Fraunhofer IAF charakterisierten Substrate im Hinblick auf ihre Anwendungen in den Bereichen Quantensensorik und Quantencomputing und leisten im Projektanschluss den Transfer in den Markt.

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Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

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