Im Gespräch mit dem Forschungskoordinator Tomas Krämer

Wie sieht die Mobilität von morgen aus?

Tomas Krämer, Forschungskoordinator bei der Fraunhofer-Gesellschaft, hatte schon bei seiner Promotion zum Festkörperphysiker immer die Anwendung im Blick. Heute koordiniert er die Fraunhofer-Initiative Next Generation Computing. Durch Neuromorphic und Quantencomputing sind in der Mobilität innovative Entwicklungen möglich. Im Interview spricht er mit Rüdiger Quay, stellvertretender Institutsleiter des IAF und Forscher im Bereich Leistungselektronik, über innovative Konzepte und den Weg zu einer »grünen Mobilität«.

 

Dr. Tomas Krämer ist Forschungskoordinator bei der Fraunhofer-Gesellschaft.
© Fraunhofer IAF
Dr. Tomas Krämer ist Forschungskoordinator bei der Fraunhofer-Gesellschaft.

Welche technologische Innovation rund um die Mobilität hat Sie fasziniert?

Krämer — Die Mobilität an sich ist für mich eine faszinierende Sache! Sie bedeutet ja, Grenzen zu überwinden, Freiheit zu erlangen und Dinge neu und anders kennenzulernen.

Quay — Die Schifffahrt und die damit verbundene Vernetzung der Welt im 15. und 16. Jahrhundert. Das hat die Welt sehr stark verändert und ist die Grundlage für unseren heutigen Welthandel und den Austausch der Kulturen.

 

Wie sieht Ihre private Mobilität aus?

Krämer — Ich fahre viel Fahrrad für mein Sportbedürfnis, das ich sonst im beruflichen Alltag schwer unterbringe. Allerdings muss ich zugeben, dass ich Schönwetterradfahrer bin! Ich versuche, Reisen einzuschränken und stattdessen die technischen Möglichkeiten wie Telefon- und Videokonferenzen zu nutzen. Es ist eben einfacher, ein paar Elektronen hin und her zu schieben als den ganzen Menschen (lacht).

Quay — Ich reise beruflich sehr viel und habe daher einen großen CO2-Fußabdruck, der mir persönlich wehtut. Auf den vielen Reisen kann man sehen, wie sich die Welt verändert: Trockenheit in Holland, wo ich als Kind immer im Sommer in Gummistiefeln im strömenden Regen stand. Privat setze ich auf das Fahrradfahren, wo immer es geht.

 

Dr. Rüdiger Quay ist stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer IAF.
© Fraunhofer IAF
Dr. Rüdiger Quay ist stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer IAF.

Wie bereitet das Fraunhofer IAF einen »Way Ahead« im Bereich der Mobilität?

Quay — Wir forschen an Galliumnitrid (GaN) für effektives Spannungswandeln und eine effiziente Leistungsversorgung. GaN wird heute schon im Auto in verschiedenen Konverter n
verbaut, weil es klein und kompakt ist. Für die Umrichtung im Motor wird GaN evaluiert. Die noch sehr großen Konverter würden dann kleiner und müssten nicht mehr wassergekühlt werden. Das würde die Autos auch leichter machen. Wir forschen außerdem an höheren Spannungen bis 1200 V, weil das noch effizienter wäre. Dazu muss man aber das Materialsystem noch weiterentwickeln, da es derzeit noch keine GaN-Substrate gibt, die kostengünstig sind.

Krämer — Wenn man beim IAF unter die Haube guckt, sieht man viele Anknüpfungspunkte zur Mobilität. Ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung beim Auto ist ja die Sensorik, Kommunikation und Elektronik. Da ist das IAF stark. Kurzfristig sehe ich mit den Millimeterwellen-Komponenten die Chance, die Fahrerassistenz und das vernetzte Fahren voranzutreiben. Die Leistungselektronik des IAF ist besonders energieeffizient und trotzdem hochperformant und damit prädestiniert für die Mobilität. Mittelfristig kann Diamant als neues leistungselektronisches Material dienen. Und das Zukunftsthema ist ganz klar das Quantencomputing, das eine intelligente Logistik möglich macht.

 

Was glauben Sie, wird die Revolution: der Motor der Zukunft oder das autonome Fahren?

Quay — Bei dem Antriebskonzept muss man ehrlich sein: Fortbewegung wird immer Energie kosten.  Der Verbrennungsmotor ist ein erstaunliches Konzept, das nicht einfach ersetzt werden kann. Ich bin für Elektromobilität. Wir müssen Netze aufbauen, denn eine Tankstelle wird dann mehrere 10 Megawatt brauchen. Und wir müssen die Windkraft im Norden für uns nutzbar machen. Eine große Hilfe kann auch die Brennstoffzelle sein. Dazu muss aber noch viel geforscht werden, damit sie dann auch für alle sicher und kompakt ist.  

Krämer — Elektromobilität ist auch meine Antwort. Es gibt sie zwar schon länger, aber da steckt noch viel Potenzial dahinter. Wir müssen es schaffen, die elektrische Energie regenerativ bereitzustellen. Wir müssen intelligente Netze aufbauen. Insgesamt glaube ich, dass der Weg in die Zukunft für Deutschland eine Kombination aus vernetzter und intelligenter Mobilität ist.

Quay — Außerdem nutze ich gerne Car Sharing. Das macht Sinn, wenn man eigentlich nur ein halbes Auto braucht. Es gibt einfach viel zu viele Leerfahrten. So sehe ich auch das autonome Fahren: Ich glaube nicht, dass wir alle bald autonom fahren werden, aber ein Netz kann uns durch klügere Steuerung und Planung viele Hilfen geben, da wir als Menschen eben müde werden und das besonders bei langen Strecken.

 

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Im Projekt GaNIAL entwickelt das Fraunhofer IAF leistungselektronische Systeme für effizientes Laden von Elektrofahrzeugen.

Was wird mit Next Generation Computing möglich werden?

Quay — Neuromorphe und Quantencomputer sind geeignet, um speziellere Probleme zu lösen als unser klassischer Computer. Unser PC ist sehr flexibel, aber er braucht für komplexe Probleme zu viel Energie. Dem kann man begegnen, indem man Flexibilität auf dem Chip aufgibt, damit er gewisse Probleme schneller und effizienter, d.h. energieärmer löst. Diese zusätzliche Computerperformance benötigen wir, um in Situationen von hochdichtem Verkehr die nötige Rechenleistung in Echtzeit effizient bereitzustellen. Gesteuerte Verkehrströme und Logistik hätten außerdem zwei Vorteile: Sie würden den Verkehr sicherer und schneller machen. Man denken nur an das Entstehen von Staus auf der Autobahn, wo durch das Verhalten einzelner der Gesamtverkehr gebremst wird und gefährliche Situationen entstehen.

Krämer — Das autonomen Fahren und eine intelligente Logistik stellen uns wirklich vor extrem komplexe Probleme. Neuromorphe und Quantencomputer können uns da einen deutlichen Schritt nach vorne bringen. Bei unserer Initiative zum Next Generation Computing verfolgen wir diese zwei Themen. Deswegen habe ich mich schon früh im Mikroelektronikverbund und dann auch in der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland dafür stark gemacht.

 

Im Projekt KoNet arbeiten die Forscher am Fraunhofer IAF an der Echtzeit-Kommunikation für das autonome Fahren.
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Im Projekt KoNet arbeiten die Forscher am Fraunhofer IAF an der Echtzeit-Kommunikation für das autonome Fahren.

Wie wird unsere Mobilität in 20 Jahren aussehen?

Krämer — Erheblich elektromobiler, erheblich intelligenter. Vielleicht wird die Mobilität auch wieder weniger wichtig, weil vieles über die virtuelle Kommunikation gelöst wird. Und wenn man dann doch fahren muss, wird es effizient und emissionsfrei sein.

Quay — Eine Mobilität, die deutlich weniger Energie verbraucht und die uns trotzdem die Möglichkeit gibt, zu reisen. Ich bin ein großer Freund des elektrischen Antriebs des Flugzeugs. Das wäre ein großer Durchbruch. Erneuerbare Energie wäre ein großer Fortschritt. Ich muss oft fliegen, aber das Einbringen von klimaschädlichen Gasen in die Stratosphäre ist kritisch. Es braucht bessere Speicher und Antriebe. Wasserstoff kann uns helfen, aber der ist noch eine harte Nuss für die Forschung.

 

Und was würden Sie auf dem Weg in die Zukunft eigentlich gerne erforschen?

Krämer — Die ganz große Entdeckung reizt mich weniger als die erfolgreiche Umsetzung von wichtigen Themen, die wir schon lange verfolgen. Wir sprechen seit 20 Jahren von intelligenten Netzen, aber in die Anwendung haben wir sie noch nicht gebracht. In dem Sinne wäre mein Traum, künstliche Intelligenz, Quantencomputer oder nachhaltige Mobilität in unseren Alltag zu bringen.

Quay — Ich ticke ähnlich. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre es eine Technologie, mit der man effizient CO2 aus der Atmosphäre waschen kann auf der Basis erneuerbarer Energien. Dann könnten wir den Klimawandel stoppen.

 

Dr. Tomas Krämer promovierte im Bereich Festkörperphysik und ist als Forschungskoordinator bei der Fraunhofer-Gesellschaft tätig. Er ist Institutsbetreuer des Fraunhofer IAF und koordiniert die Fraunhofer-Initaitve Next Generation Computing. Dr. Rüdiger Quay kam 2001 als Wissenschaftler an das Fraunhofer IAF, leitete die Gruppe HF-Messtechnik und schließlich das Geschäftsfeld Leistungselektronik. Seit 2018 ist er stellvertretender Institutsleiter und verantwortlich für alle Geschäftsfelder.  

 

Weitere Informationen

 

Energieeffiziente Elektronik für die Mobilität der Zukunft

Das Fraunhofer IAF entwickelt Leistungselektronik auf Basis von Galliumnitrid für Sensorik, Elektromobilität und Assistenzsysteme.

 

 

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