Im Gespräch mit der Zahnmedizinerin Katja Nelson

Wie sieht die Medizin von morgen aus?

Katja Nelson ist Leiterin der Translationalen Implantologie am Universitätsklinikum Freiburg. Sie ist begeistert von der Mischung aus Forschung, Lehre und klinischer Arbeit und engagiert sich seit Jahren für eine strahlenfreie Bildgebung in der Zahnmedizin. Im Interview spricht sie mit Jan Jeske, Gruppenleiter »Quantenmagnetometrie« am Fraunhofer IAF, darüber, wie die Quantentechnologie die Zukunft der Zahnmedizin prägen könnte.

Frau Nelson, haben Sie in Ihrer Zeit als Zahnmedizinerin bereits eine Art Revolution erlebt?

Nelson — Absolut! Das war die Einführung der DVT – der digitalen Volumentomographie. Diese Technologie ermöglichte es dem Zahnarzt, eine bildgebende Diagnostik in 3D in seiner Praxis durchzuführen, ohne jedes Mal zum Radiologen zu überweisen.

Prof. Dr. Katja Nelson ist Zahnmedizinerin am Universitätsklinikum Freiburg.
© Fraunhofer IAF
Prof. Dr. Katja Nelson ist Zahnmedizinerin am Universitätsklinikum Freiburg.

Wie hat sich die Diagnostik seitdem entwickelt?

Nelson —Das Röntgen gehört immer noch zu den Haupttechnologien, was aufgrund der Strahlenbelastung für die Patienten nicht ideal ist. Da setze ich große Hoffnungen auf die Magnetresonanztomographie, da sie strahlenfrei funktioniert und seit ein paar Jahren sowohl Weichteil- als auch Hartgewebe darstellen kann. Deshalb ist es für uns sehr interessant, was das Fraunhofer IAF im Bereich der Quantenmagnetometrie für das MRT erforscht.

Jeske — Wir arbeiten daran, Quantensensoren zu entwickeln, die das MRT ergänzen und verbessern könnten. Gerade in der Magnetometrie haben sie das Potenzial, einerseits mit höherer Präzision und andererseits mit sehr hoher räumlicher Auflösung zu messen. Denkbar sind auch ganz neue Technologien, bei denen andere, spezifischere Atomkerne als Wassermoleküle vermessen werden.

Wie könnte das Fraunhofer IAF einen »Way Ahead« in der Zahnmedizin ebnen?

Nelson — Ich wünsche mir eine strahlenfreie Bildgebung mit hoher Auflösung. Die Anatomie und pathologischen Vorgänge sind im zahnmedizinischen Bereich zum Teil so klein, dass selbst das CT damit überfordert ist. Eine hohe Ortsauflösung und Empfindlichkeit eröffnet zudem die Möglichkeit, nach anderen Molekülen zu suchen. Das wäre eine massive Indikationserweiterung. Und wir brauchen eine Technologie, die für den täglichen Einsatz geeignet ist. Das bedeutet, dass sie ohne eine aufwendige Heliumkühlung auskommt und einfach in die Zahnarztpraxis gestellt werden kann.

Jeske — Magnetfeldmessungen mittels NV-Zentren in Diamant wären hier ideal, da sie bei Raumtemperatur funktionieren– also ohne Heliumkühlung. Unser Laserschwellen-Magnetometer (LSM) könnte als präziserer Messsensor dienen, um schwächere Magnetfelder zu messen und damit schwächere Signale aufzulösen. Eine andere Strategie wäre auch noch die Entwicklung eines Diamant-Polarisators, der mit einem Biomolekül als Kontrastmittel funktioniert. Dies wird derzeit im Projekt MetaboliQs erforscht

Dr. Jan Jeske forscht am weltweit ersten Laserschwellen-Magnetometer.
© Fraunhofer IAF
Dr. Jan Jeske forscht am weltweit ersten Laserschwellen-Magnetometer.

Welche Möglichkeiten bieten Quantensensoren noch?

Jeske — Ich hoffe, dass wir die Vorteile der Quantensensoren – also sehr hohe Auflösung und Präzision im Betrieb bei Raumtemperatur – weiter verbessern und in Anwendungen nutzbar machen können. So könnten präzisere handgeführte Magnetfeldsensoren beispielsweise die genaue Position von Nerven aufspüren. Indem man die deutlicheren Magnetfeldsignale
statt der elektrischen Signale wie bei EEG und EKG nutzt, könnten die Hirn- und Herzaktivitäten exakt vermessen werden. Außerdem könnte es dank präziseren Technologien wie dem LSM möglich werden, die klaustrophobischen Röhren durch offene Geräte zu ersetzen und selbst Menschen mit Metall-Implantaten oder Herzschrittmachern MRT-Scans anzubieten.

Dr. Jan Jeske arbeitet daran, Diamant in einem Lasersystem einzusetzen, um hochpräzise Magnetfelder bei Raumtemperatur zu messen.
© Freedomz - stock.adobe.com
Dr. Jan Jeske arbeitet daran, Diamant in einem Lasersystem einzusetzen, um hochpräzise Magnetfelder bei Raumtemperatur zu messen.

Um das zu schaffen, müssen noch viele Forschungsergebnisse den Weg in die Anwendung finden. Was ist für Sie dabei das Erfolgsrezept?

Nelson — Für mich ist es das interdisziplinäre Team, denn die gebündelten Kompetenzen aus allen beteiligten Sparten entscheiden letztendlich darüber, ob eine Entwicklung es tatsächlich in die Praxis schafft. Man braucht Kliniker, also die Anwender der Technologie, ebenso wie Grundlagenwissenschaftler und wirtschaftlich denkende Menschen, die auch über die nötigen Marktkenntnisse verfügen. Nicht zu vergessen sind die Produktionsleiter, die einschätzen können, ob sich die Technologie in Serienfertigung herstellen lässt.

Jeske —  Der Austausch zwischen den Forschern und den Anwendern spielt natürlich eine wesentliche Rolle. Wichtig finde ich auch, dass der Exploration neuer Ideen Raum gegeben wird. Das ist oft schwieriger, als man denkt, da Forschungsprojekte meist vordefinierte Ziele und strikte Zeitpläne haben, sodass man für die Verfolgung neuer Ideen erst mal Zeit finden muss.

Für eine frühe und sichere Diagnostik erforscht das Fraunhofer IAF Quantensensoren zur Unterstützung der Magnetresonanztomographie.
© JRP Studio - stock.adobe.com
Für eine frühe und sichere Diagnostik erforscht das Fraunhofer IAF Quantensensoren zur Unterstützung der Magnetresonanztomographie.

Was ist Ihre Vision für die Zahnmedizin der Zukunft?

Nelson — Meine Vision ist eine strahlenfreie, personalisierte und in Teilen automatisierte Zahnmedizin. Bislang müssen wir händisch noch sehr viele Bilddaten generieren und diese dann verarbeiten, wofür man viel klinisches Know-how braucht. Zum Teil automatisierte Abläufe würden unseren Klinikalltag erheblich erleichtern.

Was ist Ihr persönliches Ziel?

Nelson — Ich träume davon, die Einführung des Dental-MRT zu erleben. Ich fühle mich als Botschafterin und kämpfe seit vielen Jahren dafür. Wir von der Uniklinik haben bereits viele Veröffentlichungen dazu gemacht, wie man das MRT in der Zahnmedizin nutzen kann. In den Fraunhofer-Instituten herrscht ebenfalls ein sehr hohes Know-how. Wenn die Forschung es schafft, die unterschiedlichen Disziplinen und Verbündete aus allen Sparten zu vereinen, werde ich es tatsächlich noch erleben, wie ein Dental-MRT es auf den Markt schafft. Das wäre ein Highlight in meiner Berufskarriere.

Jeske —  Das wäre wirklich ein Durchbruch! Mein aktuell wichtigstes Ziel ist die Umsetzung meines Konzepts eines Lasersystems, das NV-Zentren in Diamant als Lasermedium nutzt, und der Einsatz dieses Lasersignals für präzisere Messungen. Langfristig träume ich davon, dann an der Umsetzung all der Anwendungen beteiligt zu sein, die ein solcher Laser bietet.

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Prof. Dr. Katja Nelson hat die Professur für Translationale Implantologie, die erste Professur dieser Art in Deutschland, inne. Sie schätzt die Qualität der Forschung, Lehre sowie der klinischen Arbeit an der zahnmedizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Freiburg und setzt sich für die Entwicklung eines Dental-MRT ein.

Dr. Jan Jeske hat an der RMIT University in Australien das Konzept des Laserschwellen-Magnetometers theoretisch erarbeitet und die erste direkte stimulierte Emission von NV-Zentren in Diamant gemessen, was Grundlage eines Lasers ist. Am Fraunhofer IAF will er mit seiner Nachwuchsgruppe nun die Materialeigenschaften von Diamant für diese Anwendung verbessern und ein erstes Laser-System aufbauen und charakterisieren.

 

  

Weitere Informationen

Diamantbauelemente

Das Fraunhofer IAF entwickelt Komponenten und Bauelemente auf Basis von einkristallinem und polykristallinem Diamant für neuartige Anwendungen im Bereich der Quantensensorik.

 

 

Quantensensorik

Wir entwickeln Quantensensoren auf Basis von Diamant für den Nachweis kleinster magnetischer Felder.

Universitätsklinikum Freiburg

Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg