Mehr Vernetzung für anwendungsorientiertes Quantencomputing

09.02.2022 / Statustreffen zu den Projekten des Kompetenzzentrums »Quantencomputing Baden-Württemberg«

Die projektübergreifende Zusammenarbeit intensivieren, Synergien erzielen und Kooperationen mit Unternehmen erweitern: Diese Ziele haben sich die Koordinatoren und Projektverantwortlichen des Kompetenzzentrums »Quantencomputing Baden-Württemberg« (KQC BW) anlässlich ihres digitalen Statustreffens am 9. Februar 2022 gesetzt. Im Beisein von MR Claus Mayer und Mehran Ghahremanpour vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium wurden Zwischenergebnisse der sechs KQC-BW-Projekte präsentiert und gemeinsam vielversprechende Entwicklungsperspektiven diskutiert.

Projektlogo QC-4-BW: Vernetzte Knotenpunkte über blauem Diamant
© Siarhei – stock.adobe.com | Fraunhofer IAF
QC-4-BW – Entwicklung eines Diamant-basierten, spintronischen Quantenregisters für einen aufskalierbaren Quantenprozessor

Zwischenergebnisse des Projekts »QC-4-BW – Entwicklung eines Diamant-basierten, spintronischen Quantenregisters für einen aufskalierbaren Quantenprozessor« präsentierte Dr. Daniel Hähnel vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF. Auf dem Weg zum Ziel, ein 10-Qubit-Quantenregister mit integriertem Quantenspeicher zur Evaluierung quantenchemischer Prozesse zu entwickeln, wurden bislang alle Meilensteine erfolgreich genommen. Der nächste Schritt besteht im Aufbau eines Demonstrators und dessen erfolgreichem Einsatz; perspektivisch stehen die Entwicklung einer skalierbaren Architektur, die Kontrolle der Fehlerraten und die Erhöhung der Güte der Qubits auf der Agenda.

PD Dr. Thomas Wellens vom Fraunhofer IAF präsentierte den Zwischenstand des Projekts »QORA – Quantenoptimierung mit resilienten Algorithmen«, das darauf abzielt, Quantenvorteile bei der Portfolioverwaltung zu erzielen. Hierzu wurden Optimierungsalgorithmen erfolgreich entwickelt und in ersten Anwendungsszenarien erprobt. Als nächstes sollen in Zusammenarbeit mit dem Projekt »SEQUOIA« weitere Anwendungsfälle durchgespielt werden, um die im Projekt »QORA« theoretisch entwickelten Fehlermitigationsstrategien noch breiter in die industriellen Applikationen von heute zu integrieren.

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QORA – Quantum optimization using resilient algorithms
© Fraunhofer IAO
SEQUIOA – Software-Engineering industrieller, hybrider Quantenanwendungen und -algorithmen

Das Projekt »SEQUIOA – Software-Engineering industrieller, hybrider Quantenanwendungen und -algorithmen« vertrat Dr. Christian Tutschku vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO: Dem Projektteam ist es gelungen, mehrere Use Cases aus den Branchen Produktion, Logistik und Engineering zu evaluieren und entwickelte Softwarekomponenten anwendungsorientiert zu erproben. Auch im anwendungsorientierten Quantensoftware- und Algorithmikdesign bildete dabei die Fehlerminimierung bzw. -mitigation eine zentrale Herausforderung, worauf die bereits genannte Projektkooperation mit »QORA« gründet. Als nächsten Schritt werden die Forschenden Benchmarking-Prozesse initiieren, um zu erproben, welche applikationsbasierten Algorithmen am besten mit welcher Hardware harmonieren.

Dr. Daniel Urban vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM berichtete über das Projekt »SiQuRe – Modellierung und Simulation von Qubit-Registern aus Ketten von NV-Zentren auf Versetzungen in Diamant«, in dem Forschende mittels Modellen und Simulationen Konzepte für diamantbasierte Qubit-Register entwickeln. Große Fortschritte wurden bislang vor allem im Bereich des Fehlermanagements auf der Grundlage der Algorithmen VQE (Quantum Eigen Solver) und VQD (Variational Quantum Deflation) erzielt.

SiquRe Quantumcomputing
© Fraunhofer IWM
SiQuRe – Modellierung und Simulation von Qubit-Registern aus Ketten von NV-Zentren auf Versetzungen in Diamant

Den Status des Projekts »QuESt – Materialdesign für elektrochemische Energiespeicher und -wandler mit innovativen Simulationstechniken« erläuterte PD Dr. Birger Horstmann vom Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Darin simulieren die Forschenden mithilfe des IBM Quantum System One quantenchemische Prozesse für Energiematerialien. Durch den Einsatz einer innovativen Methode zur Energieberechnung, der sogenannten Virtual Quantum Subspace Expansion, gelang es dem DLR zusammen mit HQS Quantum Simulations, auftretende Fehler deutlich zu reduzieren.

Einen Zwischenstand zum Projekt »EFFEKTIF – Verbesserung der Effizienz von Stabilitätsanalysen und Fehlerkorrekturprotokollen für klassische, miteinander gekoppelte kritische Infrastrukturnetzwerke« gab Dr. Corinna Köpke vom Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik (Ernst-Mach-Institut, EMI). Das Projekt hat zum Ziel, die Simulation von Störungsszenarien für kritische Infrastruktur mittels Quantencomputing durchzuführen, um die Systemresilienz zu verbessern. Die zu leistende Übertragung typischer Netzwerkstrukturen auf Quantennetzwerke hat das Projektteam erfolgreich gemeistert; noch ausstehend ist die Analyse der Bedeutung quantenmechanischer Interferenzeffekte für die Effizienzsteigerung der Simulationen.

Projektübergreifende Vernetzung für Synergien und wirtschaftliche Anwendung

Wie die weitere Entwicklung der Projekte gemeinsam gestaltet werden kann, diskutierten die Teilnehmenden anschließend in Kleingruppen. Dabei kristallisierte sich der Wunsch nach einer noch stärkeren projektübergreifenden Vernetzung heraus, durch die Synergieeffekte etwa in den Bereichen Software-Engineering, Fehlermitigation oder Methodik zu nutzen und Benchmarking-Prozesse zu etablieren seien. Außerdem gaben die Verantwortlichen das Ziel aus, die Kooperationen mit Industriepartnern weiter zu intensivieren, damit die Projekte noch gezielter auf ihre wirtschaftliche Anschlussfähigkeit hin gestaltet werden können.

Verschiedene Veranstaltungsformate wurden hierfür ebenso erwogen wie digitale Lösungen für den gezielten Know-how-Transfer innerhalb einer zu bildenden Community für Quantencomputing-Algorithmen. Dabei kann der Projektverbund auf dem von den Fraunhofer-Instituten IAF und IAO im Rahmen des KQC BW angebotenen hybriden Schulungsprogramm zum Quantencomputing für Unternehmen, Forschende und Projektpartner aufbauen.

IBM Quantencomputer goldorange auf schwarzem Hintergrund mit Schriftzug "Fraunhofer Kompetenzzentrum Quantencomputing Baden-Württemberg"
© IBM Research
Das Fraunhofer IAF (Freiburg) koordiniert das Fraunhofer Kompetenzzentrum »Quantencomputing Baden-Württemberg« gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO (Stuttgart).

Das Kompetenzzentrum »Quantencomputing Baden-Württemberg«

Als erstes von sieben Regionalzentren des nationalen Netzwerks Quantencomputing der Fraunhofer-Gesellschaft nahm das KQC BW im Mai 2020 unter Koordination der Fraunhofer-Institute IAF und IAO die Arbeit auf. Für das Ziel, die anwendungsnahe Forschung zum Quantencomputing in Baden-Württemberg voranzutreiben und wirtschaftliche Verwertungspotenziale zu erschließen, stellt das Land bis 2024 Fördermittel in Höhe von bis zu 40 Mio. Euro zur Verfügung. Mit der Einweihung des IBM Quantum System One in Ehningen erreichte das KQC BW im Sommer 2021 einen wichtigen Meilenstein. Seitdem steht Europas erster Quantencomputer Projektpartnern wie externen Interessenten aus Wissenschaft und Wirtschaft zu Forschungszwecken zur Verfügung.

Seit 2021 werden die sechs Projekte »QC-4-BW«, »QORA«, »SEQUOIA«, »SiQuRe«, »QuESt«, »EFFEKTIF« innerhalb des KQC BW gefördert. Die Projekte vereinen jeweils mehrere universitäre wie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und assoziierte Industrieunternehmen verschiedenster Branchen. Als Ansprechpersonen des KQC BW fungieren Prof. Dr. Rüdiger Quay und Dr. Martin Walther vom Fraunhofer IAF sowie Prof. Dr. Anette Weisbecker und Thomas Renner vom Fraunhofer IAO.

Weitere Informationen

Kompetenzzentrum Quantencomputing

Anwendungsorientiertes Quantencomputing-Netzwerk mit Schulungsangebot und Zugriff auf den IBM-Quantenrechner in Ehningen.

Schulungsangebot Quantencomputing

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Quantencomputing am Fraunhofer IAF

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